Einbrennen von Leuchtstofflampen?
Davon haben sicherlich die meisten Architekten noch nichts gehört, ich glaube auch sehr viele Fachkollegen und Elektronistallateure ebenfalls nicht.
Mir ist das Einbrennen das erste Mal begegnet, als ich zu einem von mir geplanten Bürogebäude gerufen wurde. Die Beleuchtung sei zu dunkel. Ich fuhr zu dem Bauherren hin und tatsächlich, es stimmte, die geplante und nach der Norm geforderte Beleuchtungsstärke wurde nicht erreicht. Es war ungefähr 20%, teilweise 30% zu dunkel. Im Büro zurück überprüfte ich sofort die Beleuchtungsberechnungen. Alles stimmte. Es waren die geplanten und ausgeschriebenen Leuchten mit der entsprechenden Bestückung installiert wurden. Die Anordnung der Leuchten in der Planung stimmte mit der Anordnung im Gebäude überein. Die Umgebungsbedingungen, Wand- und Deckenfarben stimmte ebenso überein. Bei meinen Recherchen stieß ich dann auf das Thema Einbrennen von Leuchtstofflampen. Wirklich: Die Normen für Leuchtstofflampen (IEC 60081, IEC 60901) fordern zur Einhaltung der elektrischen und lichttechnischen Werte für sämtliche Leuchtstofflampen das Einbrennen. Als Einbrennzeit sind 100 Stunden vorgeschrieben. Wird diese Zeit nicht eingehalten, sind die Lampen instabil, die Lebensdauer reduziert sich drastisch, der Lichtstrom ist reduziert.
Also lies ich die Büroleuchten in dem o. g. Gebäude vom Betreiber ständig anschalten. 100 Stunden sind eine ziemlich lange Zeit. Danach fuhr ich wieder zum Messen hin. Es war wirklich so. Alle Leuchtstofflampen waren eingebrannt. Die geforderten Beleuchtungsstärken wurden in allen Räumen eingehalten.
Das Verständnis für diese Aktion war bei den Büronutzern gering. Sie gehen davon aus, dass man eine Leuchte mit einer Leuchtstofflampe bestückt und dann ist sie voll funktionsfähig. Aber das ist leider wirklich nicht so. Diese Tatsache hatte mich auch ziemlich geschockt. Seitdem lasse ich alle Anlagen mit Leuchtstofflampen schon in der Bauphase einbrennen. Dann hat der Nutzer mit der Übergabe eine vollwertige Beleuchtungsanlage. So soll es doch auch sein, oder?
Noch kritischer wird die ganze Sache beim Dimmen oder häufigen Schalten von Leuchtstofflampen. Hier ist das Einbrennen Grundvoraussetzung für den Betrieb. Wird es nicht vorgenommen, wird oftmals sogar der ganze Dimmbetrieb gefährdet. Die Leuchtmittel fallen extrem früh aus. Teilweise zünden sie gar nicht oder sie zünden und das nächste Mal wieder nicht. Hier kommt noch eine Besonderheit des Einbrennens hinzu: Dimmbare Leuchten müssen bei Volllast eingebrannt werden. Diesen Fall hatte ich bei einer Kindertagesstätte mit dimmbaren Leuchten in den Gruppenräumen. Ich habe die Leuchten einbrennen lassen. In 2 Zimmern wurden sie offensichtlich gedimmt eingebrannt. Hier gab es beim Betrieb dann große Probleme. Es traten die o. g. Schwierigkeiten auf: Frühausfälle, Flackern, Spätstart, zeitweiliger Ausfall der Leuchtmittel.
Wie bereits gesagt: Noch während des Baubetriebes lies ich die Leuchten in der Kindertagesstätte einbrennen. Sie brannten 100 Stunden hintereinander, bei Tag und Nacht. Deshalb gab es auch hier Schwierigkeiten mit den Nutzern. Die Kindertagesstätte steht mitten in einem Wohngebiet und das Licht war Tag und Nacht an. Also riefen aufgeregte Bürger bei der Stadtverwaltung an und beschwerten sich über diesen Zustand. Deshalb lasse ich die Leuchten auf meinen Baustellen möglichst in den 8 Arbeitsstunden am Tag einbrennen. Dann klappts auch mit den Nachbarn. Das ist nämlich zulässig. Man kann die 100 Stunden Einbrennzeit unterbrechen.
Auch beim Einbrennen für das Dimmen stehlen sich die Hersteller der Leuchtmittel aus der Verantwortung. Sie schlagen z. B. vor, Leuchtmittel aus Bereichen mit dimmbaren Leuchten in Bereichen mit ungedimmten Leuchten einzubrennen. Wer soll eigentlich den Aufwand dafür bezahlen? Ich habe einmal die Last des Einbrennens auf den Elektroinstallateur verschoben. Er solle doch alle Leuchtstofflampen zu Hause in seiner Werkstatt einbrennen. Seitdem grüßt er mich nicht mehr.
Trotzdem konnte ich inzwischen schon vielen meiner Kunden mit diesem Wissen helfen. Sie hatten von Anfang an eine vollwertige, effiziente Beleuchtungsanlage mit einer großen Lebensdauer der Leuchtmittel. Für die hatte es sich gelohnt, einen Elektroplaner zu beauftragen.
Den Leuchtmittelherstellern stehe ich seitdem kritisch gegenüber und es befällt mich ein ungutes Gefühl. Wenn ich ein gekauftes Produkt erst noch 100 Stunden behandeln muss, damit es den von mir geplanten Nutzen hat, ist das nicht o. k. Das ist für mich dann ein Halbfertigprodukt. Oder was meinen Sie dazu?
>>> Fachhinweis von OSRAM zum Einbrennen
Thomas Friedrich ist Inhaber eines Ingenieurbüros für Elektroplanung in Freital, Sachsen. Sein Büro hat sich auf die Sanierung von Kindertageseinrichtungen, Schulen, Baudenkmälern und Verwaltungsgebäuden spezialisiert. Er ist bekannt dafür, dass er auch die „menschliche“ Seite des Bauherrn-, Architekten- und Planeralltags nicht ausblendet, sondern sie mit viel Humor ab- und bearbeitet.
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